Die Digitalisierung hat heute bereits nahezu alle Branchen erfasst. Wie sie die Arbeitswelt von heute und morgen verändert, haben wir bereits näher beleuchtet. Natürlich macht sie auch vor dem Finanzsektor nicht Halt. Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen ist insbesondere der Finanzsektor durch den digitalen Wandel von vielen Innovationen und drastischen Veränderungen von Organisationen und Prozessen geprägt. In keinem anderen Markt zeigen sich die Ausmaße der Digitalisierung so deutlich, wie hier. Wir haben einen genauen Blick darauf geworfen, was dies für die Zukunft und die einzelnen Teilbereiche des Finanzsektors bedeutet.
Was die Digitalisierung für den Finanzsektor bedeutet
Die Zahl an neuen Unternehmen, die im Bereich der Finanzdienstleistungen aus dem Boden sprießen, ist enorm. Sogenannte FinTech Startups (English für financial services and technology) profitieren von einer neuen Smartphone-Generation, immer schnelleren Internetverbindungen und der ständigen Erreichbarkeit. Traditionelle Bankgeschäfte, Aktienkäufe per Telefon oder Fax wirken gegen die junge, schnelle Konkurrenz geradezu mittelalterlich.
Fintech Startups in Deutschland
In Deutschland ist der FinTech Startup Markt besonders stark. Die jungen Unternehmen profitieren von innovativen Ideen, die den Finanzsektor revolutionieren. Abläufe werden optimiert, Umwege eliminiert und völlig neue Wege erschlossen. Das Potenzial ist enorm, sodass entsprechend viele Unternehmen versuchen, mit neuen Ideen die Finanzwelt zu revolutionieren oder zumindest zu optimieren und mit ihren Innovationen zu verändern. Wirft man einen Blick auf die Infografik zu FinTech Startups in Deutschland wird schnell klar, wie bedeutend der Bereich für die deutsche Startup-Szene ist. Auch wenn im Vergleich zu Großbritannien 2017 rund 1 Milliarde Euro weniger investiert wurde und ein Rückgang der Gründungsaktivität um 40% stattfand. Nach wie vor befinden sich unter den FinTech 100 fünf Startup-Unternehmen. Auch daran lässt sich die Innovationskraft erkennen, die nach wie vor hinter dem gesamten Sektor steckt.
Innovationen gestern, heute und morgen
Wenn man die Bedeutung von Innovationen im Bereich der Finanzdienstleistungen verstehen will, muss man nur einen Blick auf PayPal werfen, einen der Vorreiter, der die Zahlungsabwicklung bereits vor nunmehr 20 Jahren revolutionierte. Heute gehört PayPal zu den bedeutendsten Zahlungsdienstleistern im Internet, auch wenn es hinter den Klassikern Rechnung und Lastschrift nur etwa 18% der Zahlungen im E-Commerce ausmacht, Tendenz leicht sinkend. Die Tatsache, dass die Kreditkarte durch PayPal auf Rang 4 verdrängt wurde, spricht aber für sich und zeigt die enorme Bedeutung von PayPal für den gesamten E-Commerce Markt.
Langsam geht die Ära der starken Bankenregulierung zu Ende, die im Zuge der letzten Finanzkrise 2007 immer drastischere Ausmaße annahm. So rückt wieder der Kunde in den Mittelpunkt und auch die Banken haben längst die Bedeutung der Digitalisierung für den Finanzsektor erkannt. Laut World Retail Report 2016 sehen fast zwei Drittel aller Führungskräfte in Banken es als erforderlich an, mit FinTech Startups zusammenzuarbeiten, um die Erfahrung der Banken mit der starken Innovationskraft der Startups zu kombinieren. So arbeitet die Deutsche Bank derzeit beispielsweise mit mindestens sieben Startup-Unternehmen zusammen, zu denen beispielsweise DSwiss, webID oder auch figo gehören. Insgesamt kooperieren heute rund 70% aller Finanzdienstleister mit FinTech-Unternehmen.
Auswirkungen auf die Finanzmärkte
Langfristig wird der digitale Wandel den Finanz- und Bankensektor revolutionieren. Kunden sind es heute gewohnt, dass Prozesse und Abläufe schneller und effizienter werden. Seitens der Kunden werden an Bank-, Versicherungs- und Zahlungsdienstleistungen zunehmend die gleichen Anforderungen gestellt, wie an andere digitale Dienstleister wie Amazon, ebay oder Zalando. Dem notwendigen Umbruch könnten Tausende Arbeitsplätze im Finanzsektor zum Opfer fallen, denn nicht nur die Bedeutung von Bankfilialen als Beratungsstandorte, sondern auch der Finanz- oder Versicherungs-Berater zuhause auf der Couch im Wohnzimmer verliert zunehmend an Bedeutung. Niemand ist schließlich so nah am Kunden wie das Smartphone.
Bedeutung für den Alltag
Auch wenn viele Innovationen heute noch nach Spielerei aussehen, so standen wir noch nie so kurz vor der kompletten Abschaffung des Bargeld-Zahlungsverkehrs, wie heute. Experten rechnen mit diesem Schritt bereits innerhalb der kommenden Dekade. Dieser Umstand allein hat weitreichende Folgen. Nicht nur für neue Unternehmen und die gesamte Finanzdienstleistungsbranche, sondern auch auf volkswirtschaftliche Bereiche wie beispielsweise Schwarzarbeit, die somit faktisch nahezu unmöglich wird.
Neue Karrierechancen
Durch den radikalen Umbruch gehen nicht nur Arbeitsplätze verloren, es entstehen auch neue. Heute ist man für viele Bereiche nicht mehr auf Banken oder andere Dienstleister angewiesen. So lässt sich Fremdkapital per Crowdfunding abschöpfen oder es können Finanztransaktionen und Trades direkt bei digitalen Brokern durchgeführt werden, ohne über einen zusätzlichen Vermittler oder Dienstleister gehen zu müssen. Wer sich heute im Finanzsektor selbstständig machen will, hat dementsprechend völlig andere und neue Möglichkeiten. Sie reichen vom Vermittler von Finanzdienstleistungen über Trader für Währungen, Aktien oder Kryptowährungen bis hin zum Schaffung einer neuen Dienstleistung als Ergänzung zum bestehenden Angebot. Derzeit haben die etablierten Anbieter noch erhebliche Defizite im Bereich der digitalisierten Prozesse, sodass sich auch in diesem Bereich die Stellenausschreibungen zunehmend verändern. Selbst Verfechter des alten Trugschlusses, dass echte Mensch-zu-Mensch Beratung nie aussterben wird, wurden längst eines besseren belehrt. Bereits heute haben digitale Versicherungsmakler und automatisierte Vermögensverwaltungssoftware in vielen Bereichen den Berater ersetzt und somit überflüssig gemacht.
Kryptowährungen
Der Boom der Kryptowährungen hat eindrucksvoll bewiesen, welch enorme Auswirkungen eine neue Technologie auf den kompletten Finanzsektor haben kann. Ob die Währungen eine neue Ära der dezentralisierten Finanztransaktionen einläuten oder doch nur ein kurzes Aufbäumen einer neuen Technologie waren, wird die Zukunft zeigen. Derzeit steht der Krypto-Stern auf Messers Schneide, denn wie wir bereits in einem Artikel berichteten, werden Facebook und Google schon bald sämtliche Werbung für Kryptowährungen auf ihren Plattformen verbieten. Diese Einschränkungen werden den Dienstleistern rund um die digitale Währung schwer zu schaffen machen. Twitter scheint dem Verbot ebenfalls zu folgen, sodass es durchaus denkbar ist, dass Bitcoin & Co. schon bald wieder von der Bildfläche verschwinden oder zumindest deutlich unbedeutender werden könnten. Das enorme Potenzial hinter einer solch revolutionären Innovation im Finanzsektor bleibt aber beispiellos und wird zukünftige Entwicklungen nachhaltig beeinflussen.
Auswirkungen auf die Banken
Grundsätzlich scheint den Banken die neue Konkurrenz aus dem digitalen Bereich gut zu tun. Allerdings müssen viele junge Unternehmen ihre Kompetenz erst noch unter Beweis stellen. Insbesondere, wenn es um das Vertrauen der Kunden geht, sind sie häufig noch an die Zusammenarbeit mit Banken als Vertrauensperson angewiesen. Insbesondere in Zeiten niedriger Zinsen sind Banken und auch Versicherer unter Druck, neue Märkte und Geschäftsbereiche zu erschließen. Die Chancen sind da, am Kapital mangelt es nicht und so wirkt sich der zunehmende Druck der jungen FinTech Startups äußerst positiv auf die Innovationskraft von traditionellen Banken aus. Der Kunde spürt dies durch eine zunehmende Aufmerksamkeit und eine Optimierung der Prozesse und Organisationen um den Bedarf und die Nachfrage. Die Ära der Regulierung wird durch die Digitalisierung durch eine neue Ära der Innovation abgelöst, von der Kunden enorm profitieren werden.